TV Kills The Fantasy
oder Liebe macht blind.
Sommer 2026.
Der 43-jährige Christof ist ein talentierter, aber nur mäßig erfolgreicher Schauspieler. Seit 2014 spielt er in der Daily Soap mit dem Namen ’Liebe macht blind’ in einer Nebenrolle einen bislang nur mäßig wichtigen Charakter. Er könnte deutlich mehr leisten, was er bereits einmal in einer Tatortfolge unter Beweis stellte, als er einen Mörder, oder vielmehr einen Berufskiller, spielen durfte. Aber das ist lange her und man erinnert sich eher an seine Auftritte in Werbeclips und der Soap. Ausgerechnet dann, als er in der sehr trivialen Serie ’Liebe macht blind’ die Chance erhält, mit seiner Rolle einer der Hauptdarsteller zu werden, wird seine Rolle gestrichen und er verliert den Job.
Sommer 2026.
Vor zwei Jahren beendete die Bundesrepublik Deutschland ihre 75-jährige Existenz. Der halbherzige Versuch, in dem historisch gewachsenen und seit Jahrhunderten bestehenden Flickenteppich kleindeutscher Einzelinteressen eine demokratische Ordnung zu erhalten, scheiterte an der Gier und der Unfähigkeit der Politik und an der Einflussnahme globaler Interessen. Die Direktoriale Germanische Republik hat deren Platz eingenommen und diese wird nach antikem römischem Vorbild von einem quasi machtlosen Senat regiert, dem der Erste Konsul vorsteht. Ähnlich wie seine antiken Vorbilder aus der römischen Kaiserzeit, verfügt der Erste Konsul über eine große Machtfülle. Ähnlich wie bei seinen antiken Vorbildern, wird das Volk durch Brot und Spiele bei Laune gehalten und abgelenkt. Neben dem obligatorischen Fußball und ähnlichen medienwirksamen Sportveranstaltungen, stellen inhaltslose Seifenopern wie in den Jahrzehnten zuvor, auch in 2026 einen wichtigen Bestandteil der Unterhaltungsindustrie dar. Wenn dem Publikum das Schicksal fiktiver Gestalten solcher Serien wichtiger sind, als das eigene Leben, haben Regisseure, Produzenten und Politiker alles richtig gemacht. Dann können sich diejenigen, die den Filmemachern und Politikern den Auftrag dazu erteilten, in aller Ruhe darum kümmern, noch mächtiger zu werden.
Doch ohne Christof. Der braucht dringend einen neuen Job und ein Tipp bringt den naiven Christof zu dem ehemaligen Jazz Musiker Karl 'Carlo’ Vestin, der in Berlin eine ehemalige Lagerhalle bewohnt und der ihm eine Anstellung verspricht, bei der seine Fähigkeiten als Schauspieler gefragt sind. Christof versteht zwar nicht, was der eigentliche Zweck der Anstellung sein soll, aber mangels attraktiver Alternativen entscheidet er sich, für den merkwürdigen alten Mann zu arbeiten. Aber dann erhält er die Nachricht, der exzentrische und skurrile Vestin sei während einer Chinareise verstoben und Christofs Leben hängt mit einem Mal von seinen schauspielerischen Qualitäten ab …
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© Hartmut Emrich