Zweifelhafte Ehre
Das zehnte Buch aus der Reihe 'Der Weg in die Freiheit'
In den Jahren 1814 und 15 verändert sich Europa in einer Weise, wie das in den letzten 1500 Jahren zuvor nur selten der Fall war. Es ist nicht nur der Umstand, dass Napoleons Traum von einem großen europäischen Reich unter seiner Herrschaft mit der Niederlage bei Waterloo endgültig ausgeträumt ist. Es ist auch nicht nur der Umstand, dass in Frankreich durch die Rückkehr der Bourbonen das alte Regime wieder den Thron besteigt und die Errungenschaften der Revolution weitestgehend abgeschafft werden sollen. Es sind vor allem jene Ergebnisse des Wiener Kongresses, die in der Mitte Europas zum ersten Mal in der Geschichte aus dem Flickenteppich kleiner Fürstentümer, Grafschaften und Kleinstaaten ein Reich entstehen lassen, in dem sich auch eine gemeinsame nationale Identität entwickelt. Und dieser Deutsche Bund und Preußen entwickeln sich in einem Maße, dass man bald in Frankreich, England, Russland und Österreich ganz wie bei Goethes 'Zauberlehrling' denken mag 'Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.’
Aber es ist nicht nur die politische Entwicklung, die das Leben der Menschen verändert und zum Teil umkrempelt. Als im April 1815 in Indonesien ein Vulkan ausbricht, bleibt das in Europa und in Amerika zunächst unbemerkt. Doch dieser Ausbruch ist der schlimmste Vulkanausbruch der letzten 26.500 Jahre und es werden gewaltige Mengen an Staub und Asche bis in die obersten Luftschichten der Erde geschleudert. Zunächst ist es nur ein ungewöhnlicher Dauerregen, der im Sommer und im Herbst 1815 vor allem die nördliche Hemisphäre betrifft. Doch bereits im Winter wird es überall ungewöhnlich kalt und dann bleibt der Sommer einfach aus. Missernten und die daraus resultierenden Hungersnöte treiben die Menschen überall in Europa aus den Dörfern in die Städte und nach Amerika. Die Industrialisierung hält allmählich Einzug und nach der Abschaffung der Leibeigenschaft entsteht eine neue Form der Sklavenhaltung. Die Ausbeutung der Menschen in den Stahlwerken in England, den gerade entstehenden Unternehmen in Lothringen, im Saarland, im Ruhrgebiet und in Sachsen. Die Mechanisierung des Handwerks und die Veränderung der Bedeutung der Arbeitskraft hat begonnen und dieser Prozess ist im Grunde genommen noch immer nicht abgeschlossen. Und bis dahin wird noch so manchem eine eher zweifelhafte Ehre zuteil.
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